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Bildquelle: Berlinschneid [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons (Bild bearbeitet)
Gerade durfte ich für das aktuelle Unionprogramm meine Gedanken vor dem Spiel gegen unseren Relegationsgegner vom Mai 2019 aufschreiben. Als ich mir dazu ein Video anschaute, aufgenommen auf der Gegengerade des Stadions An der Alten Försterei, hatte ich augenblicklich diesen einzigartigen Holzkohlegrill-Bierduft in der Nase. Wunderbar, wohnt also das olle Corona-Virus wohl noch nicht bei mir. Wohl aber diese andere, Eiserne organische Struktur, die mich wohl nie wieder loslässt.
Sofort spürte ich wieder diesen elenden Schiss bei jedem gegnerischen Angriff, den Du nur mit beherztem Gesang Paroli bieten kannst. So laut singen, dass dem Gegner gar nicht einfallen kann, den Ball über unsere heilige Torlinie zu drücken. Wie wir jeden gewonnenen Zweikampf, nahezu jede Ballberührung unserer Fußballgötter feierten! Wie wir den elenden Freistoß niederpfiffen, der dann doch in unserem Netz landete, bevor ihm, Ironie der Geschichte, der Videobeweis die Anerkennung verweigerte.
Unvergessen diese elenden letzten Minuten, vom Schiri um weitere FÜNF unendlich langsame Uhrumkreisungen des Sekundenzeigers verlängert. Plötzlich Ecke auf Ecke der Schwaben aus Prenzleberg-Süd, Herzkasper, frenetischer Gesang. Endlich geht der Ball übers Gestänge, quittiert von unserem Jubel. „Union, Union, Union, Union!“, jedes weitere Wort ist jetzt zu viel. Der wunderbare Micha Parensen kommt rein, wertvolle Sekunden. Unioner stürmen vor, dann wieder der Gegner. Unser Keeper hat ihn, und immer noch kein Abpfiff!
Als er ertönt, brechen alle Dämme. Ein dichter Regen aus Bier, wir liegen uns heulend in den Armen. Noch während des Regens entern die ersten die Zäune, ist der Heilige Rasen ratz-fatz voller feiernder Unioner. Sie rasten aus, genau wie wir, die oben auf den Rängen verbleiben, unvergessenes Weihnachtssingen im schönsten Aufstiegsfrühling. Mein junger Blocknachbar, den ich Mucho nenne, schenkt mir ein Stück Stadionrasen, dass ich daheim unverzüglich einpflanze, und das mir bis heute kraftvoll grün seine Halme entgegenreckt.
Was ist seither alles passiert? Wir leben in einer anderen Welt. Sind nicht in unserem Stadion, wenn der Gegner jener Frühlingsnacht wieder An der Alten Försterei gegen unsere Fußballgötter antritt. Zum sechsten Mal in einem Punktspiel, zum vierten Mal in einem solchen der 1. Bundesliga. Der gehören wir seit jener Mainacht 2019 an, und allen, die uns bestenfalls einen Sommer lang tanzen sahen, recken wir unsere Fäuste entgegen: „Eisern Union!“
Gleichwohl gelang uns gegen die Süd-Prenzleberger bislang noch kein einziger Sieg. Wir sind Tabellennachbarn, weit über dem Strich in der Tabelle, der eine Liga tiefer weist. „Nehmt Euer Herz in beide Hände“, brachte die Choreo unserer Ultras diesen Spruch so brachial wörtlich auf den Fahnenstoff. „Der Traum von Liga 1 bleibt wahr!“, vermeldet die Zaunfahne heute, „Danke an alle im Verein!“ Dem kann ich mich nur anschließen – und jetzt los, liebe Fußballgötter!
Musa allein vorn, hinter ihm Kruse, Käpten Trimmel mit Maske. Abtasten, dann ein Fehlpass von Union, zum Glück ohne Folgen. In der 7. Minute Angriff Union, hätte fast gefährlich werden können, schade. Die Schwaben gehen verdammt früh drauf, sind äußerst ungemütlich. Dann will ihr größter Stürmer nen Freistoß oder mehr schinden, getreu dem Motto: Welches Bein nehme ich jetzt zum Einhaken?“ Der Schiri schenkt dem keine weitere Bedeutung. In der 15. Union vorm gegnerischen Tor, sah wieder fast gefährlich aus.
Kurz drauf der 1. echte Abschluss Richtung Tor, gegen uns, zum Glück weit drüber. Dann Freistoß Stuttgart aus guter Position, Mist! Käpten Trimmel rettet per Hacke, es folgt ein Eckball, zum Glück wieder weit drüber. Immer wieder Herzkasper, weil uns die Süd-Prenzleberger sofort angreifen. Dann doch mal wieder Angriff Union. Gentner schickt den Ball weit nach rechts raus, der Käpten erläuft ihn, passt in den Strafraum, Kopfball Prömel – der Ball ist drin!
Aufschrei, Jubel, doch Stuttgart schnürt unsere wieder ein. Schlotterbeck schreit auf, war aber wirklich Foul. Ein Stuttgarter sieht Gelb, genau wie Grischa Prömel in der 9.Minute, hatte ich ganz vergessen, zu erwähnen. Freistoß Union, Schlotterbeck mit dem Kopf, der Keeper hat ihn, schade. Stuttgart greift an, unsere werfen sich in jeden Ball, vollster Einsatz, Eisern Union! Gestocher im gegnerischen Strafraum, Max behauptet den Ball, verliert ihn, doch schon wieder haben wir das Spielgerät. Wieder der Käpten von außen, diesmal auf Musa – und die Maschen zappeln, 2:0! Der Schütze schreit sich allen Frust aus der Seele. Eisern Union!
So stand es gegen die Stuttgarter schonmal diese Saison. Endlich Halbzeitpause. Wie kommen sie jetzt zurück auf den Platz. Dreifachwechsel, und schon greifen sie an. Luthe hat ihn, kurze Entspannung. Doch schon sind sie wieder vor unserem Tor, obendrein völlig frei! Keine Chance für Andi, die falschen Tormaschen zappeln. Und jetzt? Eisern Union! Diese Mannschaft fightet wie es Unioner eigentlich immer tun sollten. Zwei Spieler liegen in unserem Strafraum, Stürmerfoul sagt der Schiri.
Die Stuttgarter bleiben am Ball und unbequem, und Gente darf Feierabend machen. Ingvartsen kommt für ihn, unser Käpten zwingt den gegnerischen Keeper zur Parade. Ecke Union – kurz drauf Ecke Stuttgart. Mist, die bleiben eklig. Dann Riesenchance für Max, doch er köpft drüber. Wir befinden uns schon in der 81. Minute, als die Schwaben wieder mal eine Ecke rausholen. Sie bringt nichts, und auch der nächste Freistoß landet in Andi Luthes Armen.
Die Minuten ticken herunter, weit ungefährlicher als im Mai 2019. Abpfiff, Jubel, unsere Fußballgötter gewinnen ihr erstes Punktspiel gegen den VfB. Wie schön – und wie versöhnlich, dass wir beim nächsten Aufeinandertreffen wieder dabei sind, wenn es einen Fußballgott gibt. Dem Dank unserer Ultras auf der Zaunfahne kann ich mich nur anschließen. Holzkohlegrill und Bierdusche, es wird allerhöchste Zeit, dass der Fußball wieder Geisterspielfrei wird. Dann auch gerne wieder mit dem echten Sound des Fußballs. Eisern heißt dit!
Wer: Christopher Busse (35)
Wann:16.11.2024