Frank Nussbücker: Volle Orgel Union – Jahresrückblick 2022

Frank Nussbückers Jahresrückblick 2022

Bildquelle: Frank Nussbücker [], (Bild bearbeitet)

Das Union-Jahr 2022 hatte es heftiger in sich als alle seine Vorgänger. Der „Rest der Welt“ stürzte von Krise zu Krieg und mit diesem gleich mittenrein in die nächsten Krisen. Oftmals war es fast nur der 1. FC Union Berlin, der mir inmitten all dessen positive Momente schenkte. Wobei, mit einer handfesten Ergebniskrise bekam es unser Verein im Februar auch zu tun, als wir nach dem Winterpausen-Aderlass der letzten Saison drei Begegnungen am Stück zu Null verloren.

Am heftigsten erinnere ich mich jedoch daran, wie Mannschaft, Trainerteam und Verein gestärkt aus dieser Krise hervorgingen – aus meiner Sicht vor allem durch Solidarität und gute Arbeit auf allen Ebenen. Im Stadion zeigte sich all das dann auf Rasen und Rängen. Besondere Spiele hielt 2022 en Masse für uns bereit. Zwei Derbysiegen im Olympiastadion folgte im August ein dritter AdAF, und alle drei Male gewann mit Union die bessere Mannschaft.

Zwei denkwürdige Ergebnis-Serien

Auch gegen das in Sachsen stationierte Konstrukt aus Fuschl am See mussten wir dieses Jahr dreimal antreten, zunächst zweimal auswärts. So bitter und unglücklich das Pokal-Aus nach großartiger Leistung unserer Fußballgötter auch daherkam, den Lohn allen Kampfes ernteten wir bereits drei Tage später in der Bundesliga. Für alle Zeit unvergessen bleibt mir unser Siegtreffer, nach wunderbarer Flanke von Sheraldo Becker erzielt von Kevin „Hulk“ Behrens in Zusammenarbeit mit Sven Michel. Ein echt Eisernes Team-Tor des Monats April!

Dem folgte im August unser Sieg über die Dosen daheim in Köpenick – alle drei Spiele endeten übrigens 2:1. Vom Ergebnis her noch auffälliger erscheinen mir unsere Begegnungen in der Europa-League. Zwei 0:1 Niederlagen folgten vier ebensolche Siege. Hatte sich unsere Mannschaft hier nach ersten Lehrgeld-Zahlungen erbarmungslos in diesen Wettbewerb hineingekämpft? Ich zumindest sehe es genau so. Nahezu verdrängt habe ich so manchen Mist, der im Vorfeld und mindestens einmal aus unseren Blöcken heraus passierte. Unvergessen bleibt mir aber unseres Präsidenten Miene nach dem Spiel in Malmö …

Was für ein Kampfgeist!

Ebenso tief eingebrannt hat sich mir der Blick meines U-1966-Kapitäns Christian hinunter auf Zehntausende feiernde Unioner vorm Tribünenhaus, nachdem wir die letzte Saison auf Tabellenplatz 5 abgeschlossen und damit erneut die Eintrittskarten zum Europapo gelöst hatten. Im August folgte Unions bis dahin höchster Bundesliga-Sieg, eine Woche später unser drittes Pflichtspiel-1:1 gegen den Serienmeister aus Bayern. Dessen Millionen-Team musste sich ordentlich strecken, um nach unserer Führung noch den Ausgleich zu erzielen.

Unseren bislang dritten Pflichtspiel-Sieg gegen den deutschen Vize aus Dortmund feierten wir am 16. Oktober. 2:0 gewann mit dem 1. FC Union Berlin die stärkere Mannschaft jenes Abends. Die von Urs Fischer so vehement geforderte solidarische Kompaktheit brachte uns gar sieben Spieltage lang den schönsten aller Nichtabstiegsplätze. Dass sie bis zum Schluss kampfeswillig ist, bewies unsere Mannschaft besonders eindrucksvoll am 30.10. Am Stadion An der Alten Försterei gegen Borussia Mönchengladbach. In den letzten Spielen vor der Winterpause war dann ein wenig der Strom weg, wohl vor allen in den Köpfen unserer Spieler.

 

 

„Wir werden ewig leben!“

Wir stärkten ihnen unverdrossen weiter den Rücken – genauso werden wir es im neuen Jahr halten. Unioner gewinnen und verlieren nun mal gemeinsam. Gemeinsam suchen wir dann nach Fehlern und eigenen Schwächen, statt einander anzuprangern und sprichwörtlich zu zerfleischen. So zumindest erlebte ich uns bis hierher. Ich selbst war heilfroh, als die Hinrunde zwei Begegnungen zu früh bereits Mitte November ihr Ende fand. Auch bei mir war gehörig der Strom weg, dabei folgte der für mich gefühlsmäßige Höhepunkt erst noch.

Seit jeher war mir Union weit mehr als „nur“ Fußball gewesen, und immer wieder nahm mir so mancher Wohnzimmer-Besuch die Angst vorm Ende meiner irdischen Existenz. So traurig es auch ist, dass wir in den Halbzeitpausen immer wieder Mitstreiter in Block H(immel) verabschieden müssen, so tröstlich empfinde ich es, dass wir hierbei Schulter an Schulter beieinanderstehen. Wie drückt es Stadionsprecher Christian so treffend aus: „Passt auf uns auf, wir passen hier unten auf Eure Lieben auf!

 

 

Unionfamilie in echt

Manch verdienter Eiserner wird in unserem Wohnzimmer gar ein Banner gewidmet. So war jüngst auf einem solchen zu lesen: „R.I.P ORGELBERNHARD“. Gerade mal 60 Jahre alt war der gebürtige Pankower Bernhard Klupsch geworden. In seiner Union-Familie war er bekannt unter seinem auf besagtem Banner vermerkten Namen. Dieser wiederum stammte aus seiner zweiten Familie, den Drehorgel-Freunden und hat eine Menge mit seiner von ihm sehr geliebten Frau zu tun.

Sie holte ihn in besagten Kreis hinein, und bald waren Bärenjette und Orgelbernhard nicht nur privat ein Paar. Leider verstarb seine Bärenjette bereits 2014, doch wann immer Bernhard nun seine Orgel bediente, war sie wieder bei ihm und er bei ihr. Für uns erklang Bernhards Drehorgelkasten mindestens bei jedem Heimspiel vor den Stadiontoren, zwischen Waldseite und Tribüne hieß er uns Am Stadion An der Alten Försterei willkommen. Ich „kannte“ Bernhard also schon ewig, bevor ich ihn im Zuge seines 60. Geburtstags tatsächlich kennenlernte.

Eine große Liebe zu Berlin

Orgelbernhard hatte immer ein freundliches Lächeln im Gesicht und schenkte gern ruhige, freundliche Worte – wohl auch, wenn es ihm selbst nicht so gut ging. Er liebte Berlin und „schenkte“ mir außerdem sein Lieblingslied. „Es gibt nur ein Berlin, und das ist mein Berlin“ kannte ich bis dato nur als Spruch auf einem Herthaner-Banner. Bernhard aber erklärte mir, und hier konnte der ruhige, freundliche Mensch sehr bestimmt sein, dass dieses herrliche Lied, dereinst gesungen von Claire Waldoff, uns allen gehört, die wir unsere Heimstadt lieben. Das tat Bernhard aus tiefstem Herzen.

 

 

Oft habe er sein Berlin viele Kilometer weit durchwandert, verriet uns eine Verwandte von ihm, als wir Bernhard am 1. Dezember auf dem Waldfriedhof Grünau beerdigten. Viele Unionerinnen und Unioner waren gekommen, um ihm zusammen mit Drehorgelfreunden und einigen seiner Anverwandten das letzte Geleit zu geben. So manch hartgesottener Eiserner musste sich ordentlich Tränen wegdrücken. Tröstlich immerhin die Gewissheit, dass uns Bernhard nun aus Block H den Stadtmeister wie andere ewig lebende Melodien orgelt.

Bewahren wir, was uns stark macht

Wir sind nicht wirklich tot, solange andere an uns denken: Freunde und Familie, und für viele von uns gehört zu letzterer eben auch – und oftmals gerade – die Gruppe ihrer Union-Freunde. Möge uns dies auch in Zukunft – also zunächst mal im nun bald beginnenden neuen Jahr 2023 erhalten bleiben. Die Welt dreht sich weiter, damit nähert sich auch der womöglich bald beginnende tiefgreifende Neubau unseres Stadions. Natürlich freue ich mich darauf, dass dann mehr von uns bei den Heimspielen unserer 1. Herren dabei sein können …

… Und doch beschleicht mich bei alledem auch meine Furchtsamkeit. Unser Anzeigehäuschen, der Gang mit all den Stadionsteinen, der Waldweg, die von Tausenden Unionerinnen und Unionern gegossenen Stadionstufen – geben wir acht, soviel wie möglich von alledem in uns zu bewahren und an die neben uns weiterzugeben. Dann bleibt unser Wohnzimmer die für jeden Gegner nie wirklich einzunehmende Festung und vor allem: unsere Heimat. Nun wünsche ich Dir ein frohes wie gesundes Weihnachtsfest. Eisern heißt dit!


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