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Bildquelle: Harleypaul on Tour [], (Bild bearbeitet)
In der entscheidenden Phase dieser Bundesliga-Spielzeit trafen wir mit der 1. Herren des VfL Bochum auf einen alten Bekannten. Dereinst und vor ein paar Jahren begegneten wir einander in der 2. Bundesliga. Mir unvergessen sind vor allen Dingen drei Niederlagen gegen die Kicker aus dem Pott. Am Nikolaustag des Jahres 2010 zeigten uns die damals favorisierten Bochumer AdAF unsere Grenzen auf. 1:0 gewann der eiskalte Favorit aus dem Westen.
Als wir am 21. Juli 2013 aufeinandertrafen, hatten wir 9 Tage zuvor unsere Haupttribüne eingeweiht. Gegen den legendären Champions League-Club Celtic Glasgow errangen unsere Fußballgötter durch eine geschlossene Mannschaftsleistung sowie Tore von Damir Kreilach, Sören Brandy und Simon Terodde ein grandioses 3:0. Besagte 9 Tage später hatte uns der Zweitliga-Alltag wieder, und die nicht mehr favorisierten Pottkicker rangen uns mit 1:2 nieder.
Die dritte Niederlage kam auf der Anzeigetafel gar nicht als solche daher. Doch an jenem 19. Mai 2019 musste im Bochumer Stadion unbedingt ein Sieg her, wollten wir den direkten Spielklassenwechsel nach oben erzwingen. Der Fanmarsch unserer Auswärtsfahrer zum Kampfplatz hatte es in sich – aufm Platz brillierte allerdings zunächst der Gegner. Mit 0:2 lagen wir zurück, als die Aufholjagd begann.
Erst in der 83. Und 86. erzielten Grischa Prömel und Josua Mees unsere Tore, und obgleich danach noch immer Zeit auf der Uhr und Wille in den Beinen und Herzen unserer Kicker war, reichte es nicht zu mehr. Nun, die beiden Relegationsspiele gegen den VfB Stuttgart sorgten dafür, dass mir diese „Niederlage“ aus dem Heute heraus längst nicht mehr als eine solche erscheint. Was aber erwartete uns an diesem 28. Bundesliga-Spieltag im Stadion An der Alten Försterei?
Ich wählte für meine Anreise zum Stadion wiederholt den Wasserweg, an Bord unseres U-1966-Schwesterschiffs Viktoria von Eddylines Frontfrau Simone Mann. Der Himmel grau, wolkenverhangen und nicht ohne Nass – na und? Kaum etwas geht mir über diese Spreereise in bester Gesellschaft. Zu dieser gehörten auch einige Bochumer, mit denen wir unsere Lieder sangen und ihrer Stadionhymne lauschten. Schon hatten wir Köpenick erreicht, wo es dank eines wunderbaren Timings ganz entspannt ins Stadion ging.
Nach der Erbsensuppe mit Bocki am Barkas stieg ich die Stadiontreppen hinauf und fand ohne großes Gedrängel den Weg in meinen Block über der Mittellinie. „VfL!“ versus „Hier regiert der FCU!“, leitete den entscheidenden Teil des Spieltags ein. Die Bochumer trommelten mit Absicht einen falschen Rhythmus zu Eisernet Lied. Bei der Hymne sah ich sie springen, und sicher sangen sie da auch irgendwas, was zum Glück spätestens mit unserem Einsatz nicht mehr zu hören war. Neben André aus Thyrow hielt ich das linke Ende von Jos Riesenschal.
Die Bochumer Spieler machten gleich dort weiter, wo ihre Fans angefangen hatten, und schickten nach gewonnener Platzwahl unsere in Hälfte 1 gegens Zuckertor. Dann mal los, mit „Eisern!“ „Union!“ zwischen Waldseite und Gegengerade. Unsere griffen gleich mal an, zwei Eiserne werden gelegt, ein babyblauer Bochumer bleibt liegen, immerhin Ecke. Die kommt gut rein, doch der Torschuss geht über selbiges, „Eisern Union!“ Danach gleich nochmal der Wechselgesang zum Thema. Ein Bochumer Freistoß landet in den Armen unseres Keepers.
Frederik muss gleich nochmal eingreifen, dann läuft das Spiel wieder in die richtige Richtung. Schuss aufs Tor, Applaus von den Rängen, dann: „1. FC Union Berlin – und alle!“ Plötzlich Ruhe, ein Bochumer verletzt am Boden. Er versucht vergeblich, aufzustehen, gibt das Zeichen, dass er runter muss. Es ist Keven Schlotterbeck-Fußballgott, der wie sein Bruder eine Saison für uns gespielt hatte. Für ihn kommt Dominique Heintz, auch er bekommt von uns den ihm gebührenden Zweit-Familiennamen mit aufn Platz.
Auf selbigem geht es derweil unspektakulär her oder, anders ausgedrückt, es entwickelt sich in meinen Augen genau der Drecks-Zweitligakick, den ich erwartet hatte. Bochum kommt nicht wirklich vor unser Tor, doch auch uns gelingt selbiges nicht allzu oft. Dann wird es wieder still auf den Rängen, auf Waldseite wie im Gästeblock holen sie sämtliche Fahnen ein. Offenbar ein Notarzt-Einsatz und bei allem Ernst das gute Gefühl: Menschlichkeit zählt in derartigen Augenblicken mehr als sportlicher Erfolg. Hut ab vor beiden Fanszenen!
Dann heißt es wieder „VfL!“ versus „Eisern Union“, gefolgt vom altbewährten „Wir sind eure Hauptstadt, ihr Bauern!“, bei dem ich stets an meinen Cousin Alf aus Thüringen denken muss, seines Zeichens Vollblut-Landwirt. Angriff Union – und dann, nach einem Fehlpass, stürmen die Gäste vor. Der finale Kopfball landet in den Armen von Frederik Rönnow. Unsere über rechts, leider keine Gefahr – aber dann: Der nächste Vorstoß endet mit einem Schuss an die Querlatte!
Die reguläre Spielzeit ist bereits herum, als auch wir mal einen Freistoß zugesprochen bekommen. Oh, sogar schon der zweite, aber dieser hier aus bester Position, ein Fall für Josip Juranović. „Halt dein Bier fest, dit wird’n Tor!“, gibt mit Blocknachbar Steini Senior mit auf den Weg – und da zappeln auch schon die Maschen, Was für ein Schuss, was für ein steiler Moment, in dem wir uns in den Armen liegen, und ich dennoch nicht allzu viel Gerstensaft in die Luft über mir entließ. Dank Dir, lieber Steini!
Das Spiel geht nochmal weiter, doch als es gegen unser Tor geht, pflückt Frederik das Ding sicher aus der Luft. Besser gelaunt kann man kaum in eine Halbzeitpause gehen. In der müssen wir auch wieder einige Unioner in Block H verabschieden – und Blocknachbar Torsten Eisenbeiser mich daran erinnern, dass ich dazu verdammt nochmal die Melone abzunehmen hab. Auch dafür meinen Dank und hinterdrein das dreifache „Eisern Union!“
„Schön aufmerksam sein, schön wach bleiben!“, ruft Fußball-Lehrer Uwe unseren Spielern zu, als sie auf den Rasen zurückkehren. „Allez FCU!“, schallt es von den Rängen, doch aufm Platz zeigen sich nun die Bochumer. Nur knapp streicht ihr Schuss an unserem Gehäuse vorbei. Wieder greifen sie an, gestoppt von Sheraldo Becker. Der setzt sich gegen zwei Gegenspieler durch, holt einen Einwurf. Mist, wieder so ein Dreckspass, Gäste-Konter, Rönnow!
In Minute 50 Gelb für unseren Paul Jaeckel, Freistoß Bochum. Die bleiben am Drücker, einen Angriff später Kopfball-Geflipper in unserem Strafraum, dann endlich der Befreiungsschlag. Aber wir betteln weiter um das Gegentor! Dann ein Foul oder auch nicht, in jedem Fall zeigt der Schiri umgehend auf den Punkt. Nee, oder? Leider doch, Frederik hat keine Chance, die Gäste jubeln, unsere Führung ist passé.
„Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“, dazu Eckball für uns – knapp vorbei! Dann wieder Bochum, samt Eckball und Zugriff unseres wackeren Tormanns. Unsere über rechts, aber auch der Gäste-Keeper packt zu. Dann wieder ein Unioner, leider nicht regelkonform – nee, oder? Es ist Paul Jaeckel, der vor ein paar Minuten die Gelbe gesehen hatte. Wir spielen nur noch zu zehnt, eine halbe Stunde lang! „Kämpfe Union, kämpfe!“, kommt es von den Rängen.
Und die Unioner aufm Rasen halten sich dran. Sies setzen sich durch, dringen in den gegnerischen Sechzehner ein, Schuss – und drin ist das Ding! Was für eine Reaktion, was für ein Jubel – welcher uns jedoch alsbald im Halse steckenbleibt. Das Tor wird zurückgenommen – wie beschissen das weh tut! Ich verzichte darauf, mir das Ganze via Zeitlupe in der Aufzeichnung anzusehen, will nicht wissen, ob zurecht oder nicht, der Schmerz über die getroffene Entscheidung war echt – und Schluss!
Der Kampf ging weiter und mutierte zunehmend zum Krampf. Jetzt wurde es endgültig der Dreckskick, der sich in Hälfte 1 nur phasenweise angedeutet hatte. „Kämpfen und siegen“, „Eine Abwehr aus Granit, so wie einst Real Madriiid“, schließlich der von mir auch weiterhin so genannte ASK-Song. Seht es mir bitte nach, womöglich sind es die ersten Symptome des Alters-Starrsinns, aber bei mir folgt nun mal auf „Vorwärts, vorwärts“ ganz automatisch das „Frankfurt/Oder oder so“.
Dennoch, der Gesang erklang kraftvoll, überhaupt kam der Support außerhalb der beiden menschlich begründeten Zwangspausen äußerst knackig rüber, bis zum Schluss dieses Spiels, Gegen Ende durften wir uns noch einmal aufs Herzlichste bei unserem wackeren Tormann bedanken, dass wir zumindest diesen einen Punkt mitnahmen. Die Null auf unserer Haben-Seite hätte auch dieser Kick nicht verdient. Freund TeiChi indes kam zu dem Schluss: „Was für ein grandioses Spiel, das war endlich wieder meen Union!“ Danke für Dein Schlusswort, Freund! Eisern heißt dit.
Wer: Laurenz Dehl (23)
Wann:12.12.2024