Frank Nussbücker: Nie ein normales Fußballspiel – Union besiegt Rattenball erneut

Union Berlin besiegt RB Leipzig mit 2:1

Bildquelle: Harleypaul in Tour [], (Bild bearbeitet)

Da mein Handy am Ende des Urlaubs seinen Geist aufgegeben hatte, reiste ich wie ganz früher gen Köpenick: keine Spielstände, keine Nachrichten an und von Unioner-Kollegen, kein Blick aufs Wetter, den Fahrplan oder sonst welche elektronischen Spielerchen. Auch meinen Vor-Spiel-Treffpunkt, das neue Coé am Mandrellaplatz, besuchte ich heute zum aller ersten Mal. Immerhin die Leute, die ich dort auf beiden Seiten des Tresens traf, kannte ich so gut wie alle. Wie wunderbar, wieder einen festen Startpunkt für meine Union-Spieltage zu haben!

Gestärkt und in bester Begleitung gings zum Stadion. Am Einsatzfahrzeug weitere Kollegen begrüßt, das aktuelle Unionprogramm besorgt – und ab in den Block. Weit über eine Stunde bis zum Anpfiff, dennoch war es bereits ordentlich voll bei uns an der Mittellinie. Jo und Dana winken mir zu, weisen mir die Stelle, an der ich mich durch die Menschen wühlen muss. Die Steinis haben Einschulung des Enkels, ansonsten sind bis auf Rolf alle da. Selbst Lieblingsitaliener Helmut erscheint heute ungewohnt früh. Der Lange steckt mir gleich mal ein Bier zu.

Endlich unsere Hymne

Die nächsten Kaltschalen ordere ich zusammen mit Helmut. Erstaunlich schnell sind wir wieder zurück, pünktlich zur Mannschaftsaufstellung des Gegners. Die West-BSG mit Filialen in aller Welt, 481,18 Millionen Marktwert – deren Pappnasen heißen trotzdem alle nur Na und! Anders als der Schiri. Der heißt Deniz Aytekin und gehört für mich zu den besten seiner Zunft. Gut möglich, dass die GmbH aus Fuschl am See samt angeschlossenem 21-Mann e.V. heute nicht mit einem geschenkten Elfer rechnen kann.

Gegen diesen Gegner ist das nie ein normales Fußballspiel!“, bringt es unser Stadionsprecher auf den Punkt. Klar hatte jede Tradition irgendwann mal ihren Anfang. Die eine begann auf einem Dampfer, die unsere womöglich in einer Köpenicker Sandkuhle – und die des Konstrukts? Einfach nur weghauen, lautet mein Gedanke, dann kommt zum Glück unsere Hymne. Zusammen mit allen anderen Unionern stimme ich ein. Im Gästeblock flattern unrote Fähnchen und ein Banner: „Forza Rattenball“ oder so ähnlich. Irgendwo entdecke ich auch das bei Schwachmaten beliebte „u.n.v.s.u.“, dabei heißt es ja gar nicht „Super Union“.

Fuschl marschiert

Herr Aytekin pfeift an. Im Gästeblock singen sie irgendwas von „Salzburger Jungs“, und ein Fuschl-Mann will gleich mal ein Foul provozieren. Vergeblich auch der Versuch, einen Elfer zu schinden. „Einschläfern!“, schallt es von den Rängen, an den sich am Boden Wälzenden gerichtet. Der steht erstaunlich schnell wieder auf, nachdem klar ist, dass es nichts wird mit seinem Strafstoß. Nach einer knappen Viertelstunde die erste Chance für Union – und endlich zählen wir die Sekunden herunter, nach denen das hier wieder ein Spiel mit Fußball-Atmosphäre wird!

 

 

Dass die GmbH einen ihrer Angriffe an den Pfosten setzt, sah ich erst später am Fernseher. War ich da etwa Bierholen? Nun aber geht’s ab hier im Stadion: „Auf geht’s Union, kämpfen und siegen!“, dazu: „Und ihr macht unsern Sport kaputt – ihr W….!“ Die Fuschler greifen an, holen eine Ecke, die zum Glück nichts bringt. Eisern-Union-Wechselgesang, dann Trinkpause auf Platz und Rängen. „Wir sind Unioner, wir sind die Kranken“, und die Gäste greifen weiter an: Freistoß, Eckbälle, alles während unseres Motto-Gesangs.

Ein Konter aus dem Fußball-Lehrbuch

Der Gegner greift weiter an, nicht gerade zwingend. Dann setzt es eine Gelbe für Salzburg-Nord. Freistoß für uns, begleitet von „Wo du auch spielst, ja wir folgen dir, und ist der Sieg auch noch so fern …“ War es also nur Zufall, dass unsere Mannschaft kurz drauf einen derart wunderschönen Konter zeigte? Angriff abgewehrt, dann Haberer auf Becker, der auf rechts Richtung gegnerisches Tor fliegt. Sturmpartner Jordy wartet im Zentrum geradezu darauf, dass Sheraldo ihm die Kugel vorbei an zwei Gegenspielern serviert …

und zögert keine Sekunde, den Ball flach und unhaltbar ins linke Eck zu befördern. Die Tormaschen tanzen, wir nicht minder. Wie befreiend ist so ein Treffer gegen die neuen „die da“, wie eiskalt hatte sich unsere Mannschaft da gezeigt! Das Feiern dauerte gefühlt ewig. Der Würdigung der Schützen, des Spielstands und unseres Vereins folgte unsere Version von Bella Ciao. Der nächste Angriff des Gegners kam herrlich ungefährlich daher. Schäfer erkämpft den Ball, und schon wieder geht’s schnell nach vorn.

 

 

Und es klingelt schon wieder!

Diesmal bedient Jordy seinen Sturmpartner. Sheraldo Becker tanzt einen Gegenspieler aus, wird von zwei weiteren nicht energisch genug attackiert und haut das Ding einfach mal selbst in die Maschen. Erneut explodiert das Stadion, schreien wir unsere unbändige Freude heraus. Zwei Tore Vorsprung sind bei dieser Eisernen Hintermannschaften ein echtes Pfund. Die gesamte Mannschaft feiert Sherrys Tor! Mit Bella Ciao singen wir uns in die Pause. Helmut tippt mir auf die Schulter, zeigt mir die Geldscheine in seiner Hand: „Los Nussi, wir gehen Bier holen!“ … Noch vor Wiederanpfiff sind wir wieder zurück, ein Hoch auf unsere Caterer am Zapfhahn!

Die Gäste setzen sich in unserer Hälfte fest. Keine fünf Minuten sind von der Uhr, da kassiert unser Keeper die Gelbe, Zeitspiel. In der 53. fast ein Eiserner Konter, doch dieses Mal passt der Gegner auf. „Eine Abwehr aus Granit …“, feiern wir unsere Mannschaft, die hinten partout nichts durchlässt. 58. Minute, wieder zaubert unser Sturm-Duo – wie wunderbar wäre dieses dritte Tor gewesen! Die Gäste weiter im Vorwärtsgang, unsere stehen tief. Bitte schenkt das nicht her!, flehe ich Richtung Fußballgott da oben. „Und wir lieben unsern Club, und wir sind stolz auf ihn!“

Eiserne Sommernacht

Weitere Angriffe der Fuschler, immer wieder Eckbälle, und noch eine Viertelstunde zu spielen! In Minute 83 passierts: Nach einer Ecke kommt ein Gegenspieler zum Kopfball, überwindet den wackeren Frederik Riis Rønnow, bringt unser Tornetz zum Zappeln. „Kämpfen und siegen!“ „Hier regiert der FCU!“ Unsere jetzt auch mal wieder im Vorwärtsgang, erzwingen eine Ecke. Die wird abgewehrt, der zweite Ball fliegt übers gegnerische Tor. Dann nochmal die Gäste: Ecke, Ecke, Nichts. Aber 4 Minuten Nachspielzeit!

Die hätte ich bis vor gar nicht so langer Zeit nur begleitet von vielen Qualen überstanden. Doch diese Unionmannschaft, zum dritten, ja vierten Mal neu zusammengewürfelt, spielt so, als kennen sie sich alle seit Ewigkeiten. Arschcool unser Käpten, das gesamte Team, und in mir eine nie gekannte Ruhe. Schon reißen wir erneut die Arme hoch, der Schlusspfiff fühlt sich wie das 3:1 an. Einmal mehr eine überragende, vor allem hochgradig abgezockte Leistung gegen diesen Gegner und seine Claqueure! Sie ist einfach nur wunderbar, diese Köpenicker Sommernacht, ab ins Coé! Eisern heißt dit!


Werbung